Leicht ist die Wohnungssuche auch in Flensburg nicht. Und bei manch einer Besichtigung erlebt man Unterirdisches.
Kontrovers diskutiert der Landtag über Mietpreise und bezahlbaren Wohnraum. Neben hohen Mieten begegnen einem auf dem Wohnungsmarkt aber auch noch andere Unzulänglichkeiten – wenn potenzielle Vermieter diskriminierende Aussagen tätigen und ihre ganz eigenen Regeln aufstellen. Lesen Sie selbst.
Nur Ärzte und Lehrer sind willkommen
„Bewerben nur Lehrer und Ärzte“, heißt es in der Wohnungsannonce zu einer rund 60 Quadratmeter großen Drei-Zimmer-Altbauwohnung in einem Haus im Flensburger Viertel „Westliche Höhe“ nahe der Marienhölzung. Meine Mitbewohnerin und ich wollen unsere Wohngemeinschaft auflösen und suchen jeweils nach einer neuen Bleibe.
Zu diesem Termin gehen wir gemeinsam. Sie als angehende Ärztin scheint noch gerade so in das Raster des privaten Vermieters zu fallen, um das Mietobjekt besichtigen zu dürfen. Wir sind uns einig: „Das ist extrem unsympathisch“, gehen aber trotzdem. Der Wohnungsmarkt ist hart umkämpft, die Auswahl entsprechend gering, man muss nehmen, was da ist.
Schwangerschaft als Kündigungsgrund – darf der das?
Ein älterer Herr um die 70 begrüßt uns mit festem Handschlag und führt uns ins Treppenhaus. Er redet und redet, ist stolz auf das Haus, in dem auch er selbst wohnt. Das Objekt ist gepflegt, schöner Flensburger Altbau. Gleich kommt er zum Punkt: „Wenn ich einen runden Bauch sehe, wäre das ein Kündigungsgrund.“
Den Satz fügt er nahtlos in seine Präsentation ein, die Begründung gab es schon direkt vorab – nur alleinstehende Personen kommen infrage.
Damit bin ich raus, meine Begleiterin ist dagegen noch im Rennen. Wir tauschen für eine Millisekunde ungläubige Blicke. Wir wollen uns noch nicht verraten, vielleicht war das ein Versehen, ein missglückter Witz. Uns beiden steht aber die Frage ins Gesicht geschrieben: Darf der das überhaupt? Was nun folgt, ist eine Ansammlung verschiedener Aussagen, die größtenteils als rassistisch, diskriminierend und sexistisch zu kategorisieren sind.
Wir sind beide Mitte Zwanzig. Natürlich möchten wir uns nicht von dem Vermieter vorschreiben lassen, wie unser Leben in den nächsten Jahren verläuft. Manche Dinge kann man eben nicht planen. Der Vermieter scheint da anderer Auffassung zu sein. Frauen scheinen für ihn „Gebärmaschinen“ zu sein, die nur lärmende Bälger mit sich bringen. Für mich ist die Wohnung, ohne sie gesehen zu haben, unattraktiv. Meine Begleiterin zieht die Nummer noch durch.
Sollte ein Partner oder eine Partnerin dazuziehen wollen, so müsse er oder sie eine separate Wohnung im Haus mieten, fährt Herr Meier* fort, so nenne ich ihn jetzt einfach mal. Mit entsprechendem Nachweis der Anforderungen versteht sich. Aber Kinder, die seien nicht erwünscht. Einfach zu laut, fügt er hinzu. Seine Frau und er würden jedes Geräusch hören. Deren Wohnung läge nämlich unter dem zu vermietendem Objekt.
„Bitte keine Ausländer im Treppenhaus“
„Es ist dafür zu sorgen, dass das Treppenhaus regelmäßig gereinigt wird“, sagt er beim Hochgehen. Ich bin schon fast froh, so etwas Normales zu hören. Für ein Umzugsunternehmen hätte er einen Kontakt, den würde er gern weitergeben. Bevor ich denken kann, „ach wie nett“, fügt er schon hinzu: „Damit nicht irgendwelche Ausländer hier ein und ausgehen.“
Ab diesem Satz habe ich die Nase voll, so viel Rassismus, Diskriminierung und „Arschloch-Verhalten“ auf einmal habe ich noch nie in so kurzer Zeit erlebt.
Was, wenn mir meine Freunde beim Umzug helfen wollen, frage ich mich. Und was macht er, wenn einige davon nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen? So ist es nämlich. Ich frage ihn das: „Dürften auch meine Freunde beim Umzug helfen?“. Er stutzt kurz. Ja, doch, aber – und dann kommt irgendein Spruch dazu, dass „Laien“ nicht wüssten, wie herum man einen Tisch trägt, ohne, dass die Tischbeine an der Wand entlangschrammen. Ich habe schon innerlich abgeschaltet. Er bevorzugt ein Unternehmen. Heimlich frage ich mich, was er macht, wenn davon ein professioneller Umzugshelfer in seinen Augen nicht deutsch genug aussieht. Ich möchte es mir nicht vorstellen.
Günstige Waschmaschine – nicht erwünscht
Die Wohnung hat Dielenboden, ist alt, gepflegt und echt schön für den Preis. Wenn hier nicht so viel ätzendes anderes in der Luft hängen würde, könnte man was daraus machen. Das Bad ist klein. „Gibt es hier auch einen Waschmaschinenanschluss?“, fragt meine Begleiterin. Ja, in der Küche. Was für eine Waschmaschine sie denn habe, fragt Herr Meier*. Ich denke bei der Nachfrage schon gar nicht mehr an etwas Nettes und werde direkt bestätigt.
Er frage, weil er die „Erfahrung gemacht habe“, dass billige Maschinen „vom Flohmarkt oder so“ zu laut seien. Während ich mich frage, ob er überhaupt jemals Flohmarkt-Erfahrungen gemacht hat, empfiehlt er meiner Bekannten Geräte ab 600 Euro. Damit müsste sie sich eine neue zulegen. Die ganze Situation ist so absurd, dass ich nicht wirklich gesprächstauglich bin.
Den Vermieter kauft man mit – nein, danke
Mit „Okay…“ geht meine Bekannte höflich-neutral auf das eben Gesagte ein und fügt hinzu: „…der Altbau scheint ja echt sehr hellhörig zu sein“. Das wird bestätigt. Aus diesem Grunde sei natürlich Feierei nicht möglich, sagt Herr Meier*. Musik und Fernsehen gingen schon, aber bitte leise. Allein bei dem Gedanken, hier zu wohnen, fühle ich innere Anspannung. Sogar jetzt im Nachhinein. Wir schauen uns noch ein wenig die Wohnung an, Durchlauferhitzer hier, ein bisschen Küchenzeile dort, Standardkrams.
Den wahrscheinlich in seinen Augen „Trumpf“ zur Präsentation des Mietobjekts hat Herr Meier* sich bis zum Schluss aufgespart. Im Haus herrsche eine familiäre Atmosphäre, sagt er. Deshalb wäre schon eine Bedingung, dass Freunde und Bekannte, allgemein Besuch, ihm auch vorgestellt würden. Ich denke an seine rassistische Aussage von vorhin zurück. Lieber nicht. Das möchte ich niemandem antun.
„Wir melden uns“, bekommt meine Begleiterin noch heraus, bevor wir gehen. Wir sind einfach zu höflich gewesen, denke ich mir im Nachhinein. Andersherum waren wir derart überrumpelt, befanden uns in einer „Bewerbungssituation“ und wollten uns die Chance auf eine schöne, seltene Wohnung vorerst nicht vermiesen. Nach dem Termin waren wir uns einig – auch wenn die Wohnung top ist, da bleiben wir lieber in unserer Wohngemeinschaft. Mittlerweile ist die Wohnung tatsächlich vermietet, unglaublich.
Das Mietverhältnis ist besonders sensibel Ein Kommentar von Jule-Marie Schoppmeier Auch in einem bestehendem Mietverhältnis gibt es immer wieder Geschichten, bei denen persönliche Grenzen überschritten werden. Das liegt daran, dass ein Mietverhältnis ein besonderes und dadurch sensibles Geschäftsverhältnis ist. Wenn dieses über Jahre besteht oder der Vermieter sogar im gleichen Haus lebt, kann die Beziehung zwischen Vermieter und Mieter persönlich werden und sich sogar freundschaftlich entwickeln. Eine Herausforderung ist es dann, die geschäftliche Ebene trotzdem ernst zu nehmen. Zusätzlich erhält der Vermieter intimste Einblicke in das Leben des Mieters. Bei Vertragsaufsetzung muss dieser zum Beispiel seine finanzielle Situation offenlegen und ein gewisses Einkommen nachweisen. Das kann unangenehm sein. Wenn sich die Lebenssituation (durch neue/n Mitbewohner/in oder eine/n zuziehenden Partner/in oder Schwangerschaft) ändert, muss der Vermieter darüber in Kenntnis gesetzt werden. Bei Wohnungsbegehungen gelangt der Vermieter zudem in Räume, in die ein geschäftlicher Partner sonst nie vordringen könnte: Schlafzimmer, Badezimmer und Rückzugsorte. Er erhält damit auch sehr private Einblicke dazu, wie der Mensch lebt und kann sich ein eigenes Bild formen. Andersherum ist dem Mieter das nicht möglich. Das kann im schlimmsten Falle bei dem Vermieter Vorurteile schüren und das Verhältnis belasten, der Mieter dagegen könnte seine Privatsphäre verletzt sehen. Ein großes Problem scheint auch zu sein, dass viele Vermieter privat Wohnungen vermieten und sich oft selbst nicht darüber bewusst sind, welche Regeln und Rechte gelten. Nicht selten werden deshalb Persönlichkeitsrechte verletzt, Vereinbarungen wird nicht nachgekommen, die sachliche Ebene wird nicht eingehalten – die Fälle sind vielfältig. |